Die Brüder von Bülow

Die Lithographie zeigt links oben das Privathaus des Herrn von Bülow. Der vom Marktplatz kommende Weg führt an der Keibel'schen Villa (oben rechts) vorbei weiter längseits an dem ehemaligen Logierhaus und späteren Herrensitz des Oberforstmeisters zum Gesellschaftshaus.

Das Geschlecht der von Bülow stammt aus Mecklenburg. Georg, geboren im Jahre 1768, widmete sich bereits frühzeitig der Natur, und König Friedrich Wilhelm II. ernannte ihn 1787 zum Jagdjunker, wo er oft mit der Abschätzung königlicher Forsten beschäftigt war. Im Jahre 1794 zum Forstmeister, 1798 zum Oberforstmeister von Westphalen befördert, wurde sein Antrag zur Versetzung nach Stettin 1803 genehmigt. Dort konnte er seine Fähigkeiten und reichen Erfahrungen in der Forstverwaltung zur Anwendung bringen. Mit Entschiedenheit und ohne Rücksicht auf sich selbst widerstand er den vielseitigen Forderungen feindlicher Oberbefehlshaber an die Forstverwaltung.
Seinem Grundsatz entsprechend, nur bei selbstständiger Wirksamkeit Gutes schaffen zu können, bat er im Jahre 1817 nach 30-jähriger treuer Pflichterfüllung um seine Entlassung aus dem Staatsdienst. Seine Majestät belohnte den Oberforstmeister mit dem Orden "Roter Adler 3. Klasse", eine seltene Auszeichnung jener Zeit.

Damals lebte Georg Bernhard von Bülow auf seinen Gut Rieth am Haff. Auch nach seinem Abschied aus dem Staatsdienst war der Oberforstmeister sehr aktiv, als Mitglied des Landtages und als Direktor der ritterschaftlichen Privatbank von Pommern. In all diesen Gremien bewies er durch seinen praktischen Verstand und seine Geistesfähigkeit große Weitsicht und fand Anerkennung mit der Verleihung des "Roten Adlerordens 2. Klasse mit Eichenlaub". Sein Bruder Ernst (1775-1851) war Herr auf Cummerow, Regenwalde und Labuhn in Hinterpommern. Durch seinen Grundbesitz und seine Aktivitäten übte er lange Jahre einen bedeutenden Einfluss auf die Angelegenheiten der Provinz aus, die er auch in Landtagen vertrat. Die Brüder Bülow-Rieth und Bülow-Cummerow erwarben das Vorwerk Gothen mit den Dörfern Neuhof und Neukrug und den umliegenden Forsten bis zum Meeresufer für 45000 Taler im Jahre 1817.

"Es war ein verwilderter Buchen- und Kiefernwald auf dem nordöstlichen Strandboden von der Insel Usedom, untersprenkelt von ärmlichen Fischerhütten, zwei armen Dörfern im trocknen Dünensande gelegen und einem Vorwerk am großen Gothenschen Binnensee, von welchem die Güter den Namen haben! Das die neuen Besitzer auch eine der schönsten Strandgegenden im Sack mitgekauft, ward erst durch das Ausholzen der Strandhöhen entdeckt", schrieb seinerzeit der Dichter Willibald Alexis. Das Holz, das aus den Forsten geschlagen wurde, brachten dänische Schiffe als Brennholz nach Kopenhagen und war für die Brüder von Bülow ein lohnendes Geschäft. Der Bruder vom Oberforstmeister, von Bülow-Cummerow, mehr Finanzier und Spekulant als Ökonom war mit dem Abschöpfen des ersten Vorteils zufrieden und überließ dem Oberforstmeister Bülow-Rieth die weiteren Geschicke.

Die ersten Bade- und Wohnhäuser, die in seinem Auftrag entstanden und bald Unterstützung bei Berliner Familien und Freunden der schönen Natur fanden, führte zur Gründung des Ortes. Auch um die Verarmung der dort wohnenden Fischer und Büdner entgegen zuwirken, gewährte er den vielen Neubauten und Parzellierungen große Erbpachtstücke.

In der Vossischen Zeitung vom 5. März 1853 findet sich folgende Mitteilung: "Auch in diesem Jahre werden wieder elf neue Häuser in Angriff genommen, und ein Teil derselben wahrscheinlich schon zur Ankunft der ersten Badegäste fertig sein. Da im vorigem Herbste abermals (zur zweiten Saison) eine noch größere Not nach Wohnungen war, als dies jetzt in Berlin sein mag, so erscheint diese Spekulation ganz natürlich; dennoch erregt die Bauwut manches Bedenken bei den älteren Besitzern. Noch ist zwar der ländliche Charakter überwiegend und im eigentlichen Walde wird kein Baum gefällt, der ein Teil der Landschaft ist, wenn das aber mit dem Bauen so fortgeht, so findet der Stadttypus sich von selbst ein. Ob das dem Badeort vorteilhaft sein wird, bleibt dahingestellt. Es ist übrigens schon vorgekommen, dass Familien sich hier für den Winter und Sommer angesiedelt haben und eingerichtet haben. Aber viele Besitzer, welche jetzt für ihre Häuser eine schöne Lage und reizende Seeaussicht haben, sind schon gezwungen für teuren Kaufpreis anstoßenden Grund und Boden zu erwerben, um nur zu vermeiden, dass der Nachbar beides ihnen verbaut."

Im Alter von 83 Jahren, wissend nicht Gutes mehr für den Ort zu wirken, verkaufte von Bülow das Vorwerk Gothen an einen Herrn Treskow. Am 5. 3. 1854 verstirbt der Oberforstmeister Georg Bernhard von Bülow. In seinen Nachruf schreibt der Dichter Willibald Alexis am 6. April 1854: "so ist Heringsdorf freilich nicht des verstorbenen Oberforstmeisters Werk, aber seine Schöpfung, und er hat den Wüsten und Heiden, wie dem Walde und Wasser für die Kultur und seinen Vorteil viel für die sonst unfruchtbare Insel entdeckt."

Die Tochter von Bülow, Wilhelmine, setzt dem Vater 1855 ein Denkmal, das auf den Kirchberg errichtet wurde. Die Chronik von Heringsdorf schreibt: "Im Kirchwalde, nicht weit vom Gotteshaus entfernt, befindet sich von einem Gitter umgeben, so dass das Ganze wie eine Grabstätte wirkt, ein einfacher Denkstein. Auf demselben stehen in Goldschrift die Worte: ¹Zum Andenken an den Oberforstmeister Georg Bernhard von Bülow, dem Gründer von Heringsdorf 1855.¹" In den 60er Jahren wurde die Gedenkstätte auf staatlicher Anordnung beseitigt, der Name und das Wirken des Oberforstmeisters sind aber im Herzen und Bewusstsein der Heringsdorfer erhalten geblieben und so konnte die Historische Gesellschaft zu Seebad Heringsdorf in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und der evangelischen Kirche am 12. September 1999 einen neuen Gedenkstein, unweit des alten, wieder errichten.